RobotikLab

Katheter, Sonde oder doch ein Zugang?

Im Rahmen der Erstellung eines KI-Systems zur Informationssuche für die Pflege wurde ein spezielles IR (Information Retrieval) Modell entwickelt. Dieses System verbessert die zielgerichtete Suche in unstrukturierten Datenbeständen. Sowohl kurze, Keyword basierte Formulierungen als auch vollständige Fragen sind anwendbar. Mit dem entwickelten Ansatz konnte eine deutliche Verbesserung des Information Retrieval für Deutsch gegenüber bisherigen Ansätzen erreicht werden (um bis zu 14% Punkte).

Information Retrieval als Basis von Textsuche

„Wie reinigt man den gelegten Zugang?“ Nun, eine Person nimmt sich einen Wischlappen, befeuchtet diesen und wischt die Tür von oben bis unten ab, bis der Dreck entfernt ist. Irgendwie passen Frage und Antwort nicht zusammen? Richtig, denn beim Lesen bzw. Interpretieren erscheint die Kombination aus „etwas legen + Zugang“ nicht stimmig, um eine Interpretation mit Zugang/Eingang/Tür zuzulassen. Mit etwas Vorwissen lässt sich schlussfolgern, dass der Kontext im Bereich der medizinischen Versorgung anzusiedeln ist. Konkret wird erfragt, wie der Katheter einer Person gereinigt werden kann, beispielsweise um diesen zu desinfizieren. Aber die Beweggründe sind eigentlich unwichtig, denn was viel mehr interessiert, ist die korrekte Kontextualisierung und korrekte Beantwortung der Nutzereingabe.

 

Die eingangs formulierte Frage mittels einer gängigen Suchmaschine zu beantworten ist zwar prinzipiell möglich, sollte aufgrund der Auswirkungen auf Menschen (und insbesondere Patienten), jedoch auf einer selbst zusammengestellten Datenbasis mit entsprechendem Domäne-Wissen basieren. Dafür ist ein Information Retrieval (IR) System notwendig. Ein IR-System nutzt die Eingabe der Benutzer zum Abgleich mit Dokumenten in einer Datenbank, um die relevantesten Inhalte zu extrahieren und zu sortieren. Die Suche nach relevanten Inhalten hat sich dabei über Jahre hinweg wenig verbessert und basiert auf lexikalischen Ansätzen wie der statistischen Vorkommenshäufigkeit (z.B. TF-IDF, BM25), der Wortstammrückführung, Entfernung von „irrelevanten Worten“ aber auch simplen (Voll-)Text vergleichen.

Direkte Abgleiche, egal ob bei Schlüsselworten (Keywords), Wortgruppen oder im Volltext, haben ein generelles Problem: Sprache ist nicht eindeutig. Die Suchergebnisse ignorieren inhaltsmäßige Ähnlichkeiten. Verwenden Benutzer nicht „die richtigen Worte“, sondern Synonyme oder thematisch ähnliche Begriffe, kann es schnell zu falschen Ergebnissen kommen. Beispielsweise könnten die Domäne-Inhalte einer Pflege-Einrichtung ausschließlich fachsprachlich vorliegen, was bedeutet, dass in den Texten von „Sonde“, „Katheter“, etc. die Rede ist und der Begriff „Zugang“ gar nicht vorkommt. In diesem Fall kann keine der klassischen Suchmethoden zielgerichtet relevante Inhalte auffinden. Die möglichst große Übereinstimmung von Eingabeworten und verwendeten Begriffen in den Dokumenten der Datenbank ist zwingende Voraussetzung, egal welche lexikalische oder syntaktische Methode Anwendung findet.


Verbesserung mit KI-Methoden

Mit Aufkommen der aktuellen KI-Welle entwickelten sich in den letzten Jahren vielversprechende Ansätze, um dieses Problematik unter Nutzung von Machine Learning, respektive Deep Learning, zu minimieren. Die Einführung von „Transformer“, zu nennen sind hierbei vor allem BERT, XLM, und T5, ermöglichen es, Zusammenhänge von Worten (Ähnlichkeit, Analogie, Thematik) durch neuronale Sprachmodelle darzustellen. Ein solches Modell kann anschließend anhand von Trainingsdaten hinsichtlich eines Lernziels optimiert werden.

 

 

In dem hier vorgestellten Fall gilt es, das Sprachmodell für die asymmetrische Suche zwischen einer Frage und beliebig vielen Textpassagen zu verfeinern (fine tuning). Die Suche ist asymmetrisch, weil eine relativ kurze Frage mit einer i.d.R. deutlich längeren Passage bzw. einem Textabsatz auf semantische Nähe untersucht wird. Im Training erlernt das Modell dabei anhand von Daten-Samples, bestehend aus Frage, der richtigen Antwort, einer falschen Antwort sowie einer Bewertung (score), zu priorisieren, welche Zusammenhänge zwischen Frage und Antwort besonders relevant (attentions) sind.

Symmetrische Suche vs. Asymmetrische Suche

Sollen relevante Inhalte bei der symmetrischen Variante gefunden werden, so müssen Eingabesatz und die Sätze der Datenbank ungefähr gleich lang sein. Bestenfalls sind die Sätze sogar gleich aufgebaut, d.h. es wird die Eingabefrage mit ähnlichen Fragen abgeglichen. In einem FAQ-System kann dies hilfreich sein, da FAQs häufig je Textabschnitt mit einer Frage beginnen.

Beispiel: „Wie reinigt man den gelegten Zugang?“ ↔ „Was mache ich bei der Reinigung des Katheters?“


Gilt es relevante Inhalte mit der asymmetrischen Form zu finden, so sollten Eingabesatz und Datenbank-Sätze unterschiedlich lang, wobei dabei normalerweise letztere länger sind. Solche Suchsysteme kommen am häufigsten vor und auch das hier vorgestellte entspricht diesem Ansatz.

Beispiel: „Wie reinigt man den gelegten Zugang?“ ↔ „Der hygienische Umgang mit einem Katheter ist enorm wichtig, um das Infektionsrisiko zu minimieren. Gehen Sie dabei wie folgt vor: (...)“

 

Training des Modells und Bewertung der Ergebnisse

Die Durchführung des Trainings erfolgt unter Nutzung von Sentence Transformer mit der Margin-MSE-Loss-Methode. Auf Details des Trainings (Parameter, Dauer, Skripte) soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Alles wissenswerte über den Datensatz und den Trainingsprozess wird ein einem separaten Artikel vorgestellt bzw. können diese Informationen schon jetzt auf Englisch über Huggingface Transformers, der wichtigsten Plattform zur Veröffentlichung von Transformer Modellen, eingesehen werden. Außerdem lässt sich das trainierte Modell von dort herunterladen (https://huggingface.co/PM-AI/bi-encoder_msmarco_bert-base_german).

Gleich nach dem Training ist eine Evaluierung des neu entstandenen Modells nötig. Nach einer Recherche hat sich zunächst der Vergleich zwischen drei Ansätzen angeboten, welcher in Tabelle 1 dargestellt ist.

 

 

Recall@1

Recall@10

Recall@100

Unser Modell

0.5300
0.7196
0.7360

svalabs/bi-electra-ms-marco-german-uncased

0.3818
0.5663
0.5986

BM25

0.3196
0.5377
0.5740

Tabelle 1: Ergebnis der Evaluierung. Auf einer Skala von 0.0 bis 1.0 werden die Ansätze nach der Metrik „Recall“ bewertet. Hierbei ist 1.0 der beste Wert.

Im Vergleich schneidet BM25, ein lexikalischer Ansatz, der in der Praxis noch häufig Verwendung findet, am schlechtesten ab. Im Evaluierungs-Datensatz befinden sich schlichtweg zu viele Frage-Antwort-Paare, die nur bei Verständnis von Synonymen und thematischer Ähnlichkeit korrekt miteinander in Verbindung gesetzt werden können. Das Modell von svalabs erlaubt dagegen den direkten Vergleich zwischen zwei sehr ähnlichen Ansätzen, da sowohl svalabs als auch das Modell von senseaition und der TH Wildau Transformer basiert sind. Im Ergebnis schneidet das neue Modell mit einer hervorragenden Performance-Steigerung um 14 Prozentpunkte ab.

Um die Qualität des hier vorgestellten Ansatzes zu untermauern, findet ein weiterer Vergleich mit einem aktuellen State-Of-The-Art Modell statt: Das Entwickler-Team von deepset.ai hat, nach der DPR-Methode, einen Zwei-Stufen-Transformer für Deutsch entwickelt, bei dem Fragen und Texte/Passagen separat behandelt werden. Die erweiterten Ergebnisse sind in Tabelle 2 abgebildet.

 

 

Recall@1

Recall@10

Recall@100

Unser Modell

0.5300
0.7196
0.7360

https://huggingface.co/deepset/gbert-base-germandpr-question_encoder &

deepset/gbert-base-germandpr-ctx_encoder

0.4828
0.6970
0.7147

svalabs/bi-electra-ms-marco-german-uncased

0.3818
0.5663
0.5986

BM25

0.3196
0.5377
0.5740

Tabelle 2: Ergebnis der erweiterten Evaluierung. Auf einer Skala von 0.0 bis 1.0 werden die Ansätze nach der Metrik „Recall“ bewertet. Hierbei ist 1.0 der beste Wert.

Auch wenn die Performance-Steigerung mit ca. 2 Prozentpunkten kleiner ausfällt, ist das Ergebnis dennoch beeindruckend. Denn beim Ansatz von deepset werden zwei Modelle gebraucht, was Arbeitsspeicher und CPU-Leistung doppelt beansprucht und somit höhere Kosten verursacht. Im Produktiveinsatz kann dies entscheidend sein.

Die Ergebniswerte dürfen jedoch nicht als absolute Werte betrachtet werden! Je nach Testdaten und Domäne können die Werte variieren. Dennoch ist die Evaluierung im Vergleich der Ansätze untereinander valide. Übrigens, Experimente haben die Sinnhaftigkeit einer Kombination von BM25 mit Transformer-Modellen bewiesen. Entsprechende Erkenntnisse, KI getriebene Dienste und das technische Know-How bietet Ihnen die sense.AI.tion GmbH über eine eigens entwickelte Cloud-Produktpalette.
 

Dieses Projekt ist eine Kollaboration zwischen der Technischen Hochschule Wildau und sense.ai.tion GmbH. Sie können uns wie folgt kontaktieren:

This work was funded by the European Regional Development Fund (EFRE) and the State of Brandenburg. Project/Vorhaben: "ProFIT: Natürlichsprachliche Dialogassistenten in der Pflege".

     

Eike Rackwitz

Eike Rackwitz

NAO-Entwicklung
Pepper-Entwicklung und -Betreuung

“We can only see a short distance ahead, but we can see plenty there that needs to be done.” (Alan Turing; “Computing Machinery and Intelligence“ 1950)

Projekte und Beteiligungen

RobotikLab

Robotergefährtin ROS-E gewinnt Hauptpreis beim innofab_ Ideenwettbewerb

Am 14. Juni 2022 fand die finale Runde des innofab_Ideenwettbewerbs 2022 statt. Auch zwei Teams aus Wildau konnten am Dienstag in Cottbus ihre Ideen verteidigen - mit großem Erfolg. Die Telematiker:innen Lara Ziemert und Oskar Lorenz überzeugten mit ihrer Präsentation zum Projekt "ROS-E – Die zwischenmenschliche Roboter-Gefährtin”.  Zusammen mit Valentin Schröter und Tobias Kannenberg arbeiten sie im RobotikLab Telematik. Das 4-köpfige Team gewann am Dienstag nicht nur den 1. Preis des Wettbewerbs, sondern zusammen mit einem weiteren Team auch den Publikumspreis.

Impressionen zur Veranstaltung sowie weitere Informationen zum Wettbewerb, den Preisträger:innen und den Projekten unter  https://innohub13.de/innofab-gewinnerinnen-2022/.

ROS-E wurde entwickelt im Rahmen des Projektes Natürlichsprachliche Dialogassistenten in der Pflege.

Das PROFIT-Projekt “Natürlichsprachliche Dialogassistenten in der Pflege” wird gefördert aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).

Lara Ziemert

Lara Ziemert

Stet clita kasd gubergren, no sea takimata sanctus est Lorem ipsum dolor sit amet. Lorem ipsum dolor sit amet, consetetur sadipscing elitr, sed diam nonumy eirmod tempor invidunt ut labore et dolore magna aliquyam erat, sed diam voluptua. At vero eos et accusam et justo duo dolores et ea rebum.

Valentin Schröter

Valentin Schröter

Stet clita kasd gubergren, no sea takimata sanctus est Lorem ipsum dolor sit amet. Lorem ipsum dolor sit amet, consetetur sadipscing elitr, sed diam nonumy eirmod tempor invidunt ut labore et dolore magna aliquyam erat, sed diam voluptua. At vero eos et accusam et justo duo dolores et ea rebum.

Amanda Klingner

Amanda Klingner

Stet clita kasd gubergren, no sea takimata sanctus est Lorem ipsum dolor sit amet. Lorem ipsum dolor sit amet, consetetur sadipscing elitr, sed diam nonumy eirmod tempor invidunt ut labore et dolore magna aliquyam erat, sed diam voluptua. At vero eos et accusam et justo duo dolores et ea rebum.

Philipp Müller

Philipp Müller

Stet clita kasd gubergren, no sea takimata sanctus est Lorem ipsum dolor sit amet. Lorem ipsum dolor sit amet, consetetur sadipscing elitr, sed diam nonumy eirmod tempor invidunt ut labore et dolore magna aliquyam erat, sed diam voluptua. At vero eos et accusam et justo duo dolores et ea rebum.

Die Stadtbücherei Frankfurt am Main hat am 3.11.2021 den 1. Platz des Deutschen Lesepreises in der Kategorie „Herausragende Leseförderung mit digitalen Medien“ verliehen bekommen.

Vorstellung des Projekts.  
Alle Preisträger im Kurzportrait.

Lesepreis für Projekt "Roboter hört mit!"

Kindern im Grundschulalter zu helfen, mit Hilfe eines humanoiden Roboters ihre Lesekompetenz zu stärken, ist die Idee des Wildauer Lese-NAO-Projektes. Mit dieser attraktiven Idee hat 2017 die Stadtbibliothek Wildau den Innovationspreis für Bibliotheken der Berlin-Brandenburgischen Stiftung für Bibliothek-Forschung e.V. gewonnen. Das RoboticLab Telematik war Partner der Stadtbibliothek Wildau, u.a. verantwortlich für die technische Umsetzung des Projektes und entwickelt es seitdem kontinuierlich weiter.

Dass diese Idee nicht nur Brandenburger und Berliner Kindern gut gefällt, zeigte sich am 19. April 2021 in der Stadtbücherei Frankfurt am Main: Der dortige NAO-Roboter Ada hatte an dem Tag den ersten Einsatz als Lese-Roboter (Pressemitteilung). Die Veranstaltung war ausgebucht. Eine Reise durch die öffentlichen Bibliotheken der Stadt ist geplant. Wir im RoboticLab Telematik freuen uns sehr über die lebhafte und spannende Kooperation mit dem Team der Frankfurter Stadtbücherei. Das Projekt wird durch Oskar Lorenz, studentischer Mitarbeiter im RoboticLab Telematik und Bachelorstudent am Studiengang Telematik, inhaltlich und organisatorisch betreut. Die technische Umsetzung der ersten Version erfolgte durch Amanda Klingner (Masterstudentin) und Tina Lüthe (Absolventin des Masterstudiengangs Telematik).

Bericht in der Hessenschau vom 20.04.2021

 

RobotikLab abonnieren